Der Friedhof in Prag von Umberto Eco
Uff, geschafft! Der Friedhof in Prag von Umberto Eco ist ein großartiges Buch aber keines, das man mal eben so nebenbei lesen kann. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich schon mal einen Roman gelesen habe, bei dem ich soviel Sekundärliteratur bemühen musste.
Wenn man keine abgeschlossene Studien in vergleichender Religionswissenschaft, Neuerer und Neuster Geschichte und Literaturwissenschaft hat und sich nebenbei nur selten mit Politik, Geheimdiensten, Verschwörungstheorien und Philosophie beschäftigt, ist es nicht immer nur Lesevergnügen sondern manchmal auch ein bisschen Arbeit. Aber das ist in diesem Fall keine anstrengende Arbeit sondern eher eine Herausforderung, der zumindest ich mich gerne gestellt habe.
Eco erzählt in diesem Buch über den Antisemitismus im 19. Jahrhundert und im speziellen eine (un)mögliche Geschichte über die Entstehung der Protokolle der Weisen von Zion. Dabei lässt er neben seinem fiktiven Protagonisten Simon Simonini so ziemlich jede Person, die zur Zeit der Geschichte (ca. 1830 bis 1900) real existiert hat und zum Thema passt, auftauchen. Neben Schriftstellern und Journalisten wie beispielsweise Eugène Sue, Maurice Joly und Édouard Drumont findet so auch Sigmund Freud Platz. Um das Ganze zu würzen, dürfen natürlich auch Geheimdienstler wie Ratschkowski - der im Verdacht steht die Protokolle in Auftrag gegeben zu haben - nicht fehlen. Selbstverständlich passen dann auch die Dreyfus-Affäre und der Taxil-Schwindel ins Konzept, um das antisemitische, antifreimaurerische und antijesuitische Süppchen abzuschmecken. Aber das nur als grober Überblick, bei dieser Auflistung habe ich noch eine ganze Menge unterschlagen.
Man muss sich auf das Buch einlassen und ein bisschen Aufwand reinstecken, dann ist das Buch wirklich ausgezeichnet und man wird mit einer tollen Geschichte und einer Menge Wissen belohnt. Der Friedhof in Prag ist aber definitiv kein Schmöker, den man mal eben in der Badewanne durchblättern kann. Wenn man so etwas sucht, sollte man am Besten gar nicht erst mit der Lektüre beginnen.